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Ein Leitfaden zum Teppichkauf, zur Werterhaltung und zum richtigen Verständnis von Teppichen
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Strukturen: Kette, Schuß, Knoten, Materialien

Bestimmt haben auch Sie schon gehört, dass es einen „persischen“ und einen „türkischen“ Knoten gibt. Fachleute sprechen lieber von „asymmetrischen“ und „symmetrischen“ Knoten. Neben diesen beiden Knotenarten gibt es u.a. auch den Djuft-Knoten, eine lose Schlinge um die Kette und den komplexen tibetischen Knoten.

Der Charakter eines Teppichs wird aber noch viel mehr durch andere Strukturmerkmale bestimmt. Dazu gehören u.a.:

  • Schichtung der Kette
  • Farben und Anzahl der Schussfäden
  • Seitenränder
  • Ober- und Unterkante
  • Materialien (Wolle, Baumwolle, Seide, Kunstfaser)

Man ist versucht, einen Teppich durch die Muster und Farben zu erkennen.  Hier muß man aber bedenken, dass man sich nicht nur im Orient kaum Kopfzerbrechen über Musterschutz gemacht hat. So kam es schon vor Jahrhunderten zu Musterverschleppungen. Das hat zur Folge, dass man sich nicht auf Muster verlassen darf, wenn man einen Teppich bezüglich seiner Herkunft bestimmen will. Muster und Farben sind zwar sehr wichtig, aber sollten immer mit technischen Merkmalen in Zusammenschau betrachtet werden. Und hier sind wir im „Eingemachten“ der Teppichkunde.

Die Schichtung der Kette

Die Schichtung der Kette gibt viel mehr Auskunft über die Herkunft eines Teppichs als die Muster. Das erklärt sich auch sofort: Es ist weitaus schwieriger Knüpfeigenheiten und Materialien zu verändern, als fremde Muster zu kopieren. Knüpfgewohnheiten und –materialien sind oft seit Generationen tief in der Kulturlandschaft verankert. Dies zu verändern, hätte Innovationen erfordert, die man in einer traditionsverhafteten Kultur nicht erwarten darf.

In einem Stamm oder einem Dorf gab es z.B. seit Generationen die Tradition, Teppiche ohne geschichtete Kettfäden zu knüpfen. Diese Teppiche wirken wie ein Tuch, sie sind geschmeidig. In Manufakturen dagegen herrscht sehr oft die Schichtung der Kette vor. Je nachdem, ob die Schichtung 45°, 60° oder gar 90° ausmacht: der Teppich wird fester und steifer. Es lohnt sich daher immer ein Blick auf den Rücken eines Teppichs. Hier einige Beispiele:

Dieser Ardebil-Teppich aus dem nordwestpersischen Aserbaidschan zeigt am Rücken die Struktur einer 90° Schichtung. Das ist sofort erkennbar, wenn man eine Knotenreihe betrachtet. Sieht man nur einen Knotenhöcker, dann liegt fast immer 90° Schichtung vor. Achtung: Es könnte aber auch statt eines Knotens nur eine U-Schlaufe vorliegen, die auch nur einen Höcker auf der Rückseite des Teppichs aufweist. Um dies festzustellen, muss man den Teppich auch auf der Florseite prüfen.
Dieser alte kaukasische Kuba-Teppich zeigt am Rücken eine ca. 60° Schichtung. Dies ist erkennbar daran, dass der eine Teil des Knotenrückens dick und groß ist und dem Betrachter näher liegt, wohingegen der zweite Teil des Knotens kleiner und dünner wirkt und hinter dem ersten Teil des Knotens in einem Winkel von rund 60° liegt.
Dasselbe kann man beim Rücken dieses anatolischen Teppichs feststellen:
Der Rücken eines Schirwan-Teppichs zeigt keinerlei Schichtung. Beide Knotenhöcker liegen nebeneinander.
So sieht ein symmetrischer Knoten bei ungeschichteter Kette von vorne aus. Man erkennt den roten Schussfaden und den quer verlaufenden Teil des Knotens, unter dem die beiden Knotenfäden aus dem Gewebe hervorkommen, die sich an der Oberfläche in ihren Fasern vermischen.
Diese beiden Bilder zeigen einen modernen anatolischen Teppich: das obere Bild zeigt den Rücken, das untere die aufgeklappte Knotenreihe von vorne. Auf der Rückseite erkennt man eine Schichtung von rund 45°, die sich auch auf der Vorderseite bemerkbar macht, weil die beiden Knotenfäden nicht parallel, sondern versetzt aus dem Gewebe treten.

Schussfäden, Seitenränder, Ober- und Unterkanten

Will man die Herkunft eines Teppichs feststellen, dann spielen die Seitenränder, das sog. „Schirasi“, die Ober- und  Unterkanten, die Anzahl der eingelegten Schussfäden und die Farbe derselben eine große Rolle. Südpersische Teppiche haben ganz andere Seitenränder als ostanatolische. Die Unterkante eines zentralanatolischen Teppichs unterscheidet sich von jener eines aserbaidschanischen, auch wenn manche Muster ähnlich sind. Für die Bewertung eines Teppichs können diese Fragen allerdings von größter Bedeutung sein. So kommen immer wieder alte Teppiche aus dem Orient, die von Dilettanten, wie sie in Bazaren tätig sind, restauriert wurden. Wenn z.B. einem antiken südwestpersischen Lori-Teppich Seitenränder angenäht werden, wie sie in Westanatolien üblich sind, oder wenn ein Loch restauriert und die Schichtung der Kette nicht beachtet wird. Besonders oft wird die falsche Wolle für eine Reparatur verwendet. Wenn ein Teppich Naturfarben hat, dann sollte für Restaurierungen auch wieder mit Naturfarben gefärbte Wolle genommen werden, etc. Nicht selten kommt es durch miserable Reparaturen zu einer Entwertung, vielfach lohnt sich dann eine Korrektur der Fehler nicht mehr. Wenn Sie Seitenränder genau betrachten, können Sie auch als Laie schon feststellen, ob der Teppich in seiner Originalgröße erhalten oder fragmentiert, d.h. geschnitten ist. Trifft letzteres zu, dann ist der Teppich sehr oft wertlos, auch wenn er schön und sonst gut erhalten sein sollte. Strukturmerkmale sind mithin Grundsäulen der Teppichkunde.

Die folgenden Bilder sollen Ihnen helfen, auf diese Merkmale etwas genauer zu achten. Sie sehen hier die Rücken und Seitenränder von verschiedenen Teppichprovenienzen. Die dabei beschriebenen Merkmale bilden oft die entscheidenden Kriterien, um Teppiche bestimmen zu können:

Der Rücken dieses Dorfteppichs aus dem Hamadan-Gebiet weist eine Besonderheit auf: Man erkennt immer wieder in der Vertikale Teile der weißen Baumwoll-Kettfäden, die sich um die weißen Baumwoll-Schussfäden schlingen. Die Kette ist sichtbar, weil es nur einen Schussfaden gibt.

Wenn –wie in Hamadan üblich- nur ein Schussfaden zwischen jede Knotenreihe gelegt wird, dann entsteht die typische körnige Struktur. Blicken Sie z.B. nur auf einen Schussfaden, dann haben Sie de facto Leinwandbindung im Kleinen:

Diese Struktur ist ein Signifikum des Hamadan-Gebiets, dessen Teppiche man nicht auf Grund der Muster oder Farben erkennen kann, sondern eigentlich nur auf Grund von solchen technisch-strukturellen Details.

Ganz anders sieht der Rücken im rund 200 km östlicher gelegenen Saruk-Gebiet aus:

Dies ist der typische Rücken eines Saruk: Man erkennt den blauen Schussfaden, der –wie die Knoten- mit hartem Eisenkamm in die Kette eingeschlagen wird und einmal deutlicher, dann wieder weniger deutlich sichtbar ist.

Auch die Seitenränder(Schirasi) sowie die Ober- und Unterkanten spielen bei der Bestimmung der Herkunft eines Teppichs eine große Rolle. Die folgenden Beispiele zeigen Teppiche aus verschiedenen Knüpfprovenienzen und lassen erahnen, welche komplizierten Strukturen und Merkmale die Teppichkunst prägen:

Die Jahrhunderte lange Herrschaft Persiens über Aserbaidschan dokumentiert sich auch in der Knüpfkunst des östlichen Kaukasus, wie der Rücken und die Seitenränder dieses antiken Schirwan Teppichs zeigen:

Die weißen Baumwoll-Schußfaden wickeln sich um die Seitenränder(Schirasi), die hier aus zwei dickeren Kettfäden bestehen.
Südpersische Nomadenteppiche, wie dieser Afschar-Teppich, kennen signifikante, polychrome Seitenränder, die in einer eigenen Wickeltechnik geschaffen werden. Würde dieser Rand fehlen, dann wäre dieser antike Nomadenteppich seines spezifischen Charakters beraubt, was als wertmindernd zu betrachten ist.

Bei Nomadenteppichen aus Afghanistan und Teilen Turkmenistans sehen die Schußfäden und Seitenränder wiederum ganz anders aus:

Arbeiten der Ersari Stämme, wie dieses antike Engsi(ein mythischer Türschmuck), zeigen auf der Rückseite sehr oft braune Schußfäden und spezifische Seitenränder(Fachausdruck Schirasi), die aus drei dicken Wülsten bestehen, um die sich die braunen Schußfäden wickeln.
Die Ober- und Unterkante (Elem genannt) dieses grandiosen Hauptteppichs, der in der ersten Hälfte des 19.Jhdts. von Nomadinnen des Tekke-Stamms in der Kara Kum Wüste geknüpft wurde, bestehen aus einem breiten, gewebten Kelimstreifen in Leinwandbindung – eine der ältesten Kulturtechniken der Menschheit. Kenner wissen um die Bedeutung dieses Kelimstreifens: Er ist eine große Hilfe bei der Datierung. Turkmenische Hauptteppiche mit Kelim-Elems entstanden meist vor der zweiten Hälfte des 19.Jhdts.

Wie zählt man Knoten?

Beim Ermitteln der Knotendichte ist die zuvor erklärte Schichtung von größter Bedeutung. Bei einem ungeschichteten Teppich sind zwei Höcker auf der Rückseite zu zählen, bei einem Teppich mit 90° Schichtung darf nur ein Höcker gezählt werden. Bei einer Schichtung von 45°oder 60°ist auf den zweiten Höcker genau zu achten.

Knotendichten werden grundsätzlich in Quadratmetern angegeben. Man spricht aber auch oft nur von grob, fein oder sehr fein geknüpften Teppichen. Folgende Knotendichten könnten als eine Richtlinie dienen:

  • Bis 100.00 Knoten/m²: grob
  • 150.000-250.000 Knoten/m² fein
  • Ab 250.000 Knoten/m² sehr fein

Bei Seidenteppichen wird in Fachkreisen oft nur die Anzahl der Knoten per cm angegeben, z.B. 8x8, 10x10, 12x12, etc. Gemeint sind damit die Knoten per Zentimeter in Kett- und Schußrichtung. Ein Seiden Hereke-Teppich mit 10 Knoten in Kett- und 10 Knoten in Schußrichtung hat somit 100 Knoten/cm², d.h. 1 Mio Knoten/m².

Auch das Knotenzählen will gelernt sein. Der Rücken dieses anatolischen Teppichs von geringer Qualität zeigt kaum Schichtung, d.h. zwei Knotenhöcker bilden einen Knoten. Auf einen Zentimeter in der Horizontale und der Vertikale befinden sich jeweils rund 2,5 Knoten, d.h. der Teppich hat 6,25 Knoten pro cm², bzw. rund 62.500 Knoten/m².
Der Rücken dieses 90° geschichteten Keschan-Teppichs weist eine Knotendichte von ca. 4x5 Knoten auf, d.h. dieser Teppich hat rund 200.000 Knoten/m².
Dieser Hereke-Seide-Teppich weist die Knotendichte von 10x10 auf, d.h. er hat 1 Mio Knoten/m². Da der Teppich –wie alle Hereke-Seide Teppiche- eine 90° Schichtung hat, zählt man jeden einzelnen Höcker: 10 horizontal, 10 in vertikaler Richtung.

Materialien

Der Charakter eines Teppichs wird auch entscheidend durch die verwendeten Materialien in Kette, Schuss und Flor bestimmt. Die Materialien in Kette und Schuss sind oben schon erörtert worden. Im Flor überwiegt eindeutig Wolle. Die immer wieder anzutreffende Bezeichnung Schurwolle ist eigentlich überflüssig. Wolle, die zum Knüpfen von Teppichen verwendet wird, ist immer geschoren. Man kann ein Schaf ja nicht rupfen. Viel wichtiger ist die Qualität der Wolle. Ein Laie würde nicht einmal ahnen, wie viele unterschiedliche Wollqualitäten es im Orient gegeben hat und z.T. noch immer gibt. Die Qualität der Wolle ist ein entscheidendes Kriterium für die Nutzungsdauer. Billige Wollqualitäten ergeben eine signifikant kürzere Nutzungszeit. Wollqualitäten zu unterscheiden, zählt zum Schwierigsten. Dies lässt sich nicht schriftlich erklären, Wolle muss auch angegriffen werden, und zwar von erfahrener Hand.

Neben der Wolle spielt auch die Seide im Flor eine nicht unbedeutende Rolle – vor allem, was den Preis betrifft. Seidenteppiche haben eine alte Tradition. Seide als kostbarstes Material war immer angesehen. Es kann daher nicht verwundern, wenn Seidenteppiche eigentlich nur im höfischen Manufakturwesen geknüpft wurden. Bauern oder Nomaden haben da und dort aus Repräsentationslust Seide verwendet. Eine richtige Seidenteppichproduktion wurde daraus aber nicht. Hochwertige Seidenteppiche aus der Türkei, aus Iran oder China haben Seide immer auch in Kette und Schuss. Bei Produktionen in Indien und Pakistan ist es aber dagegen auch üblich, in Kette und Schuss Baumwolle zu verwenden, während im Flor Seide vorliegt. Da Seidenfäden dünn sind, eignet sich Seide dazu, hohe Knüpfdichten zu realisieren.

Kostendruck und Profitsucht haben zur Verwendung von Kunstfasern geführt. So gibt es z.B. billigere Bidjar-Teppiche, die in Kette und Schuss nicht Baumwolle sondern Kunstfasern haben. Dass bei solchen Teppichen im Flor keine besondere Wollqualität zu erwarten ist, liegt auf der Hand. Kunstfasern werden auch als Trägergarn beim Spinnen von kurzstapeliger Wolle verwendet. Statt hochwertiger ätherischer Öle verwenden dann besonders „geschäftstüchtige“ Produzenten altes Motoröl. Diese sog. Ölwollteppiche zählen zu den billigsten Qualitäten.

Es gibt eine Möglichkeit die Materialien zu prüfen, die allerdings mit Vorsicht durchgeführt werden muß, um Schäden zu vermeiden: die Brennprobe.  Hierzu sollte an einer nicht auffälligen Stelle ein Knoten vorsichtig herausgezogen, bzw. eine Franse (= Kettfadenende) abgeschnitten werden. Seide und Wolle verbrennen nicht, sie schmelzen und runzeln – und stinken dabei, wie wenn man menschliches Haar verbrennt. Baumwolle glost vor sich hin wie Papier. Kunstfaser schmilzt und stinkt wie verbrennendes Plastik. Da es aber auch bei dieser Methode Fragezeichen geben kann, sollten Sie die Brennprobe doch von einem gerichtlich beeideten Sachverständigen durchführen lassen, um restlose Gewissheit zu haben und keinen Schaden anzurichten.

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